Kunstwerke

Wer die Fotografien von Denis Darzacq sieht hat stets die gleichen Frage auf den Lippen: Sind die Bilder digital bearbeitet oder gar eine Collage? Die  schwerelos wirkenden Körper sind Momentaufnahmen aus fließenden Bewegungen - inszeniert mit Hip-Hop- oder Capoeira-Tänzern, die wie eingefroren erscheinen. Keiner der erstaunlichen Momente wurde mit Bildbearbeitungsprogrammen bewirkt. Denis Darzacq zeigt den Mensch in seiner natürlichen urbanen Umgebung, die Szenerie ist genau analysiert und auf das soziale Umfeld ausgerichtet, in dem die Protagonisten leben. Denis Darzacq beobachtet Bewegung der Körper in der Stadt, erfasst Spannungspunkte und Gleichgewichte, soziale Stereotypen, Standardisierungen, und stellt sie in Gegensatz zu Individualität, schöpferischer Energie, Streben nach Ausgelassenheit und Entfaltung.

Die Serie »Hyper« (Supermarkt) entstand kurz nach der Aufsehen erregenden Serie »La Chute« (Der Fall), in der Denis Darzacq Breakdancer aus Pariser Vororten in die Luft springen ließ und ihre Körper in ähnlich erstaunlichen Positionen kurz vor dem Fall fotografierte. »La Chute« fand große Beachtung, da sie als Metapher für eine im freien Fall befindliche Generation interpretiert werden kann.

»Hyper« wurde im Auftrag der Stadt Rouen (Normandie) fotografiert. Die Idee des Projekts war, Jugendliche in und um Rouen in ihrem sozialen Umfeld zu zeigen. Denis Darzacq bemühte sich bei verschiedenen Supermärkten am Stadtrand von Rouen um die Genehmigung, zu fotografieren. Diese Supermärkte hatten oft recht agressive Namen, wie Attac, oder King Kong. In Sport- und Tanzklubs der Stadt überzeugte er ein Dutzend junger Leute, für ihn Modell zu stehen oder besser »zu springen«. Die Shootings fanden in aller Herrgottsfrühe um 5.30 Uhr in den Gängen der Supermärkte statt, bevor die ersten Kunden auftauchten.

Denis Darzacq dirigierte die jungen Leute auf besondere Weise, um den Bildern zwei Atribute zu verleihen: fallende oder schwebende Menschen, ähnlich wie in der Serie »La Chute«. Zudem versuchte er, gewisse Merkmale des manieristischen Stils der italienischen Maler des 16. Jahrhunderts nachzuempfinden. Seine Modelle fügten aus eigener Initiative eine dritte Kategorie hinzu – ähnlich wie in Comics scheinen ihre Körper auf Schläge oder Zusammenstöße zu reagieren.

Heutzutage werden Menschen leider eher danach bewertet, was sie haben, als danach, was sie tun und sind. Wie in seinen früheren Arbeiten interessiert sich der Fotograf für eine soziale Spannungszone, in der gesellschaftlicher Konformismus und Sehnsüchte des Individuums aufeinandertreffen. Die eigenartigen, mysteriösen Fotos provozieren Gedanken an Träume, an »aus dem Rahmen ausbrechen« wollen, Neues ausprobieren. Jemand scheint über Tapeten zu fliegen, ein anderer schwebt schlafend über dem Regal mit Tiefgefrorenem. Wieder ein anderer hebt inmitten von Plastikeimern ab einem unsichtbaren Horizont entgegen. Mit seinen in ekstatischer Pose erstarrten Figuren hebt Denis Darzacq die Grenzen von Raum und Zeit auf faszinierende Art und Weise auf. Und selbst wenn auf seinen Fotos die Welt für einen Moment aus dem Gleichgewicht geraten zu sein scheint, strahlen die Bilder Harmonie, Ruhe und Leichtigkeit aus.