Kunstwerke

Die Fotografie von Kevin Horan

Als Fotograf begegnet man gelegentlich schwierigen Models, aber im Regelfall kann man sich sicher sein, das sie einem weder die Kleidung anknabbern, spontan Reißaus nehmen oder ihr Geschäft einfach im Flur verrichten.

Kevin Horan hatte da über Jahre hinaus nicht so viel Glück, denn seine Fotomodelle waren Schafe und Ziegen. Kevin Horan nennte sich einen "genesenen Fotojournalisten". Seine Arbeiten erschienen unter anderem im New York Times Magazine, LIFE, U.S. News & World Report, National Geographic und in zahlreichen Büchern. Er porträtierte Präsidentschaftskandidaten, vertriebene russische Dorfbewohner, Arbeiter aus der Amazonas Region und fast jeden Typ Mensch, der sich zwischen diese Pole einordnen lässt. Sein laufendes Projekt Chattel, zergliedert und hinterfragt die Natur des Porträts durch das Austauschen der menschlichen Subjekte mit Stalltieren.

"Ziegen und Schafe besetzen hier eine Grauzone, denn sie sind uns nicht so vertraut, dass wir sie bereits wie Hunde vermenschlichen können", sagt Horan, "und doch haben sie diese Gesichtszüge, die menschlichen Gesichtern entsprechen. Für Betrachter ist dies eine Hürde die sie bei Hunden oder Babytieren nicht haben."


Wie genau kam es zu der Idee Ziegen und Schafe in einer klassischen Studiosituation zu fotografieren?

Angefangen hat alles nach meinem Umzug von Chicago in die direkte Nachbarschaft von einem Dutzend Schafe. Jedes mal wenn ich das Haus auf Whidbey Island verliess oder ankam wurde ich lautstark von den Vierbeinern begrüßt. Wahrscheinlich dachten Sie ich habe Futter, denn Sie kamen immer sofort ans Gatter, um mich dort in ganz unterschiedlichen Tonlagen zu empfangen. Es war die Vielfalt der Stimmen, die mich dazu veranlassten darüber nachzudenken, das sie alle Individuen sind. Im nächsten Schritt überlegte ich wie es wohl wäre wenn sie in einem Kleinstadt-Fotostudio nach einem Fotoportrait fragen würden, das ihr Wohnzimmers schmücken sollte. Das war die Idee und so wählte ich den dunklen Hintergrund und die klassische 4 Punkt Beleuchtung.

Soweit zur zur Idee, natürlich kam keine Ziege zu mir ins Studio, also musste das Studio zu ihnen. Mein Nachbar, der Besitzer der Tiere, stimmte einem Versuch zu, doch jede Bemühung mich den wilden Tieren mit Licht, Stativen und der ganzen Ausrüstung zu nähern war vergebens. Also hielt ich auf der Insel Ausschau und fand tatsächlich eine kleine Ziegenfarm, deren Bäuerin auch noch Interesse hatte mit mir zusammen zu arbeiten. Ihre Ziegen wurden zweimal täglich gemolken und in dieser gewohnten Umgebung konnte das Projekt letztlich erfolgreich starten.


Alle Arbeiten der Chattel-Serie weisen einen spezifischen Ausdruck von Persönlichkeit aus. Was genau war der Unterschied in den Shootings im Vergleich zu den Portraits in denen Du für gewöhnlich Menschen ablichtest?

Genaus das ist das Konzept. Wir schauen auf die Arbeit und entdecken echte Persönlichkeiten. Ich habe mich allerdings immer gefragt wie hoch der Anteil des Betrachters ist; was ist mir gelungen beim Versuch das Wesen der Tiere einzufangen und wie viel entsteht erst in den Köpfen. Oft werde ich gefragt wie ich es geschafft habe die Tiere zu solchen Posen zu bringen, wer mit Tieren gearbeitet hat weiss, dass es eher eine Frage der Geduld ist um den speziellen Ausdruck zu erkennen der funktioniert.

Aus den Erfahrungen des Projektes habe ich alle meine Portraits erneut hinterfragt; ob sie eine ähnliche Ungewissheit auszulösen können und ob ein Portrait überhaupt den Zugang zu einem anderen Menschen ermöglichen kann und ob sie nicht eher ein Einladung darstellt sich seine eigene Gedanken zu machen. Kevin arbeitet an Projekten, in denen er Tiere als Menschen betrachtet, Menschen als Tiere und die Erde als einen sehr kleinen Planeten. Seine Bilder basieren auf der Realität und seine besondere Freude ist das Verblüffende im Gewöhnlichem zu finden. 


In seiner Serie "Space Ship" Gibt es ganz klare Anweisungen wie man sich seinen Bildern auf ungewöhnliche Weise nähern kann.

Es ist ein Besuch der Erde. Um diese Bilder zu sehen, musst Du dir vorstellen, dich in einem Raumschiff zu befinden. Du erforschst das lokale Sonnensystem und kommst zum blauen Planeten Erde.

Die Bildsymbolik der quadratischen Hasselblad-Fotografien aus der Apollo oder die digital verarbeiteten Bilder von der Cassini-Mission verhelfen uns in der Nähe dieser schönen, einsamen Stelle in der Galaxie zu verweilen. Wir sehen es ganz nah. Vergessen wir die Einschränkung durch die Schwerkraft, die uns erinnern lässt, wo wir wirklich sind: Realisieren wir bloßes Schauen. Wir sind so an unsere irdischen Gegebenheiten verhaftet, dass wir erfolgreich bestreiten können durch eine Leere zu rasen. Aber wenn es uns gelingt unserer Fantasie freien Lauf zu lassen schweben wir selbst beim Sitzen an einem Schreibtisch. Der Boden, an dem wir haften schafft einen willkürlichen Horizont, also ignorieren wir ihn. Erlaub Dir eine gravitationslose Flugbahn und fühl Dich frei im Raum.

Sobald wir diese Freiheit erreicht haben können wir beliebig zwischen positiven und negativen Raum switchen. Die Bilder sind dann abstrakt und im gleichen Maß informativ. Schwebe in der Nähe und Blick auf die kleine Welt, als ob Du sie vorher noch nie gesehen hast.. 


Ausstellungen (Auswahl)

2015

Black & White Director's Award, The Center for Fine Art Photography, Ft. Collins, CO, July - Aug
Katrina Steps, Sink or Swim slide show night, Annenberg Space for Photography, Los Angeles, CA, April
Art to Zoo, Santa Barbara Museum of Art, Sep. 2014 - Jan. 2015

2014 - 2004

Farm & Table, Brackenwood Gallery, Langley, WA, 2014
BETA 09, Ballarat International Foto Biennale (online), 2014
Meat Man, Patti Gilford Fine Arts, Chicago, 2004

2003 - 1980

Street Census, CityFiles Gallery, Evanston, IL, Dec., 2002 - May, 2003
You Are Here, Chicago Cultural Center, Jan. - March, 2001
Our Town: Chicago In The Year 2000, Terra Museum of American Art, Chicago, Oct. 2000
Anthropology & Documentary, Field Museum of Natural History, Chicago, July-Sep., 2000 (group show)
The Mother Road: Route 66, Festival Scoop, Angers, France, Nov. 2000
Latin America: Pride of the People, Stolen Buick Gallery, Chicago, Oct. 1998
Black-and-White Works, Chicago Center for Contemporary Photography, Columbia College, Oct. 1980

 

Publikationen

Smithsonian
New York Times Magazine
Time
LIFE
National Geographic
and numerous other magazines


Auszeichnungen,
Sammlungen

“Sydney #3,” Santa Barbara Museum of Art
“Sophat Sar and Rukia Aweis,” Federal Reserve Bank of Chicago, 2008
“Street Census,” The Comer Archive of City 2000, University of Illinois at Chicago
“My Friend Art,” Museum of Contemporary Photography, Chicago
“Bowlful of Sky,” National Park Service Collection, 2005